Wenn der Vater mit dem Sohn …

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Recruitingpraxis

… zum Vorstellungsgespräch mitkommt und andere Begebenheiten, die einem im Recruitingalltag manchmal vor Augen führen wie unprofessionell die Jobsuchenden doch sind. Beispiele aus meiner Recruitingpraxis.

Ich brauche Aufheiterung! Das Wetter spielt leider nicht mit, ein langes Wochenende steht vor der Tür, die geplante Grillparty fällt (voraussichtlich) ins Wasser. Also widme ich mich in meinem Blog nicht den trockenen Kennzahlen (haha wie subtil, ich habe hier nochmal den Bezug zum Wetter geschafft 😉) sondern der Frage „Was hast du denn so im Recruiting Alltag schon für witzige/peinliche/irritierende Situationen erlebt?“

Eigentlich mag ich Leute nicht „vorführen“ und deren Verhalten zur Belustigung anderer erzählen oder niederschreiben. Und an manche (sehr ungute) Situationen mag ich mich auch gar nicht erinnern.

Aber im April gab es auf standard.at wieder einen Artikel, der wohlgemeinte Ratschläge an Bewerberinnen wiedergibt. Irgendwie scheint dieses Thema bei den Leserinnen auf Resonanz zu stoßen (immerhin hat es der Artikel auf 479 Kommentare gebracht) – kurz gefasst kommen hier die Personalistinnen nicht besonders gut weg. Zum Teil nachvollziehbar zu einem anderen Teil naja – sagen wir mal skurril. Das war jetzt die elegante Überleitung zum zweiten Artikel auf standard.at, dessen Kommentare der Leserinnen (485) mir an solch trüben Tagen zu guter Laune verhelfen.

Ich werde mich also nicht einreihen und den Bewerberinnen ungefragt Tipps geben, wie denn die Bewerbung auszusehen hat, ob ein Motivationsschreiben dabei sein soll und wenn ja, wie das formuliert wird (das ist übrigens die Frage, die mir von meinem Familen-/Freundes-/Bekanntenkreis am häufigsten gestellt wird: „Du was ist denn jetzt ein Motivationsschreiben und was soll ich da schreiben?“ dicht gefolgt von „Kannst du mal schnell meinen Lebenslauf anschauen?“).

Ich hab nur einen Rat: Recruiting ist people business und so wie ich meinen Kundinnen immer dazu rate, sowohl bei den Inseraten als auch während der Gespräche authentisch zu sein, rate ich das auch allen Bewerberinnen. Was die eine Recruiterin oder Führungskraft mag, ist für andere ein No-Go. Woher sollen die Bewerberinnen denn wissen, wie das Gegenüber tickt, wenn oft nicht einmal ein Name im Inserat steht (was in diesem Fall ja auch nicht helfen würde aber aus Sicht der Jobsuchenden wohl netter wäre. Aber das nur am Rande, Employer Branding und so ist ja heute gar nicht unser Thema).

Natürlich kommt es vor, dass man sich über den Zugang, die mangelnde Vorbereitung oder Gedankenlosigkeit von Bewerberinnen ärgert, aber ich habe es ja schon öfter erwähnt und als Recruiterin sollte man sich das immer vor Augen halten: Jobsuchende sind keine Profis im Bewerben sondern in ihrem jeweiligen Fachgebiet – oder eben Absolventinnen und weder das eine noch das andere. Und manchmal wird ihnen in Trainings erzählt, wie es angeblich richtig ist, manchmal lesen sie im Artikel auf standard.at wie’s geht und manchmal setzen sie sich einfach hin und bewerben sich.

Zum Beispiel auf 17 Jobs zeitgleich mit einem Mail, alle andere Adressaten auch im „to“ angeführt. Nicht, dass man als Recruiterin nicht weiß, dass sich Leute auf Jobsuche auch woanders bewerben. Aber so wird einem ja jede Illusion genommen!

Oder auf eine Ausschreibung im Sozialbereich, wo eine konkrete Ausbildung und einschlägige Berufserfahrung erforderlich waren. Ich habe über 300 Bewerbungen erhalten, davon haben gut die Hälfte diese Kriterien nicht erfüllt und somit wurden entsprechende Absagen geschickt. Wenige Minuten später läutet das Telefon, ein Bewerber, dem gerade abgesagt wurde, möchte den Grund wissen. Ich suche mir seine Bewerbung nochmal raus und frage ihn, ob er denn vergessen hat, die entsprechenden Angaben zu machen. Laut Lebenslauf hat er Sportmanagement studiert, Berufserfahrung keine. Seine Antwort: „Nein, ich hab das beides nicht, aber ich hab mir gedacht das hat eh niemand also probier ich es.“

Manchmal gibt es aber auch ganz persönliche Gründe, die jemanden dazu zwingen, sich einen neuen Job zu suchen. In einem „Motivationsschreiben“ über 7 Seiten hat ein Kandidat ausführlich geschildert, warum er jeweils seine Jobs gewechselt hat. Die Passage, wo er erzählt hat, dass er ein Verhältnis mit der Frau seines damaligen Chefs hatte, der draufgekommen ist und er daher dann gezwungen war, sich einen Job zu suchen, war wirklich amüsant. Ja, manchmal sind 3 eben um einen zu viel.

Ich habe mit einem Studienabsolventen einen Gesprächstermin vereinbart, der Kandidat wohnte in Niederösterreich, Job und Vorstellungsgespräch waren in Wien. Beim Gesprächstermin warten 2 Männer im Empfangsbereich auf mich. Ich begrüße beide und komme gar nicht dazu zu fragen, wer denn der 2. Herr ist, weil er mir gleich selbst erklärt: „Vielen Dank, dass Sie meinen Sohn zum Vorstellungsgespräch eingeladen haben. Wissen Sie, wir wohnen ja in Niederösterreich und er hat kein eigenes Auto, drum habe ich ihn hergeführt und bin gleich mitgekommen um mir alles anzusehen.“ Nein, es war keine Lehrstelle, der Kandidat war damals 26, hat ein Studium absolviert und wohnte noch bei den Eltern. Deren Auto durfte er übrigens auch benutzen.

Eine Bewerberin im Interview, ich stelle ihr Fragen zu ihrem letzten Job und sie antwortet sehr ausweichend. Ich hake nach und bitte sie, mir das konkreter zu beschreiben. Ihre Antwort: „Wissen Sie, Sie sind mir eigentlich sehr unsympathisch!“. In der Situation war ich doch ein wenig perplex. Im Nachhinein habe ich sehr gelacht – wenn das nicht authentisch war dann weiß ich auch nicht!

So liebe Kolleginnen im Recruiting – was habt ihr schon erlebt? Welche skurille, witzige oder auch überraschende Situation bringt euch heute noch zum Schmunzeln? Ich freue mich auf Kommentare oder Nachrichten!

Herzliche Grüße
Claudia

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