Was wäre, wenn Recruiting einfach wäre und die Unternehmenskultur nicht an der Wand hängt?

Eigentlich sollte dies eine Nachlese zum ARS HR-Kongress werden, doch irgendwie geht es plötzlich wieder um Unternehmenskultur, Employer Branding und ein ganz anderer Event hat sich auch in den Blogbeitrag geschummelt. Zeichnet sich da etwa ein Trend ab? Und was hat jetzt Recruiting mit Unternehmenskultur zu tun? Alles. Meine ich jedenfalls.

Hat nun der Cultural Fit Einfluss im Recruiting oder sollte es so sein? Diesen Fragen begegne ich in letzter Zeit recht häufig. Und war selbst innerhalb von wenigen Tagen auf zwei Veranstaltungen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können: beim ARS HR-Kongress und beim Forbes 30 unter 30 Event. Culture Clash pur (und das ist ein Aspekt an meinem Job, den ich wirklich großartig finde)! So stelle ich mir das vor, wenn ich am Dienstag bei einem Konzern und am Donnerstag bei einem Start up ein Bewerbungsgespräch habe. 😉

Starten wir mit dem ARS-Kongress, Thema Performance Management. Karin Bauer vom Standard hat bereits in der Printausgabe darüber berichtet. Es waren 14 Personen anwesend, Schulbank Setting, PowerPoint-Vortrag und anschließende Diskussion. Nennen wir es einfach klassisch oder traditionell.

Stellvertretend für die Inhalte des Vormittages möchte ich zwei Aussagen zitieren:
Wir haben uns extrem bemüht, den Frauenanteil zu erhöhen, jetzt haben wir sogar welche in Führungspositionen. Und jetzt sind welche schwanger, die wollen dann in Teilzeit zurückkommen. Ein Problem.“
Bei uns gibt es eine Kultur des Scheiterns. Wenn Führungskräfte draufkommen, dass Sie den Führungsjob eigentlich gar nicht wollen, ist es möglich, wieder in die Expertenfunktion zu wechseln.“

Beide Aussagen sind hervorragende Beispiele für „gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“, oder?
Wenn Führungskräfte also irgendwann draufkommen, dass sie entweder nicht führen wollen oder können (und das eine hängt wohl maßgeblich mit dem anderen zusammen) und dann – was selten genug vorkommt – laut darüber nachdenken, den Schritt „zurück“ in die Expertenfunktion zu machen, wird das als „Kultur des Scheiterns“ bezeichnet! Warum bedeutet das bitte zu scheitern? Warum sprechen wir nicht davon, dass es möglich ist, entsprechend den eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen eingesetzt zu werden? Oder zum Beispiel in unterschiedlichen Lebensphasen unterschiedliche Rollen im Unternehmen einzunehmen? Ein Teilnehmer hat vorgeschlagen, dass man zum Beispiel Führungskraft auf eine bestimmte Zeit wird und danach entscheiden kann, ob das denn die passende Funktion ist. Eine Art „Schnupperzeit“ für das Führungskräftedasein. Wenn wir einen Job in einem neuen Unternehmen beginnen, gibt es ja schließlich auch eine Probezeit, die genau dazu genutzt werden soll: um zu erkennen, ob der Job auch wirklich der richtige für mich ist (und oft wohl auch, ob der Cultural Fit wirklich gegeben ist). 😉

[bctt tweet=“Die richtigen Leute finden, an Bord holen und richtig einsetzen, eine Mega Aufgabe für Recruiting und vor allem für Führungskräfte.“ username=“lorber_claudia“]

Und wie ist das eigentlich bei Buffer? Leo Widrich hat beim Forbes-Event ein wenig aus dem Nähkästchen geplaudert, hier ein paar seiner Aussagen:
Die Unternehmenskultur muss nicht an der Wand hängen, damit sie präsent ist. Es ist schlicht die Vision der Gründer. Diese muss transparent sein (alles andere wäre bei Buffer ja auch verwunderlich 😉). Wichtig ist die emotionale Response, man kann – nein man muss! – auch wenn man Menschen entlassen oder kündigen muss, diesen mit Würde begegnen. Bei Buffer sind die Gehälter übrigens an das jeweilige Landesniveau angepasst. Leo meint, er würde alles andere schlichtweg unfair finden. Die Lebenshaltungskosten in Kalifornien sind nun mal anders als in Indien und wären die Gehälter nicht marktkonform, wäre das eine Art moderne Sklaverei, da ja niemand mehr wieder wechseln könnte, wenn er das 10- oder 20-fache verdient wie in einem anderen Unternehmen. Und noch ein Satz, der wohl sein Lebensmotto ist: „Transparenz macht Entscheidungen einfach!“

Apropos einfach, kommen wir zum zweiten Teil des HR-Kongresses. Eva Planötscher-Stroh hielt einen launigen Vortrag unter dem Motto „Was wäre, wenn Recruiting einfach wäre?“ und ermutigte die wenigen Teilnehmerinnen zu mehr Mut, den Blick über den Tellerrand und auch mal abseits der herkömmlichen Wege zu denken. Viel verlangt, wenn man bedenkt, dass ein Teil der Anwesenden nicht weiß, welches Bewerbungsmanagementsystem sie einsetzen und andere noch nie etwas von kununu gehört haben.

Kurz zu den Fakten: 90 % aller Arbeitgeberinnen haben Schwierigkeiten, eine Position zu besetzen. Wir sollten uns fragen: „Rollen wir Bewerberinnen den roten Teppich aus“? Eva Planötscher-Stroh geht dann auf die unterschiedlichen Touchpoints im Recruitingprozess ein und zeigt auf, wo Fallen lauern. Hier ein kurzer Überblick:

  • Wahl der Plattform bzw. des Mediums, wo das Inserat veröffentlicht wird (Stichwort Zielgruppe)
  • technische Hürden („mit diesem Browser nicht kompatibel“)
  • das Gespräch selbst (Wasser anzubieten ist noch keine Selbstverständlichkeit)
  • Zeitfaktor (wie lange dauert der Prozess, wie lange dauert es, bis eine Rückmeldung kommt)

Und geht im nächsten Schritt darauf ein, welche Auswirkungen hat es, wenn eine potenzielle Mitarbeiterin enttäuscht wird. Consumer Brand und Employer Brand sind nicht unterscheidbar. Wer hat sowas nicht schon einmal gehört: „Beim XYZ kaufe ich nicht mehr ein, da habe ich nicht einmal eine Absage auf meine Bewerbung erhalten“.

Es wurden Beispiele gebracht von Recruitingmaßnahmen, die auch mal anders funktionieren, wie zum Beispiel den Voith Wimmelbus, der Pizza Digitale und natürlich wurde auch über das Ströck Karrierezentrum berichtet.

Fazit: Recruiterinnen macht eure Hausaufgaben, kununu und das eigene Bewerbungsmanagementsystem gehören wohl zum kleinen Recruiting 1 x 1. Und wie ist es so schön auf jeder zweiten Karriereseite zu lesen: „Mitarbeiter sind unser wertvollstes Kapital.“ Dann sollten sie wohl auch entsprechend ausgesucht und eingesetzt werden. Unsere Mitarbeiterinnen sollen uns bitte voran und Unternehmenserfolg bringen, wir führen Technologien ein, setzen uns mit der Digitalisierung auseinander – aber Recruiting funktioniert immer noch nach demselben Schema wie vor 20 Jahren. Was stimmt an diesem Bild nicht?

Der zweite Part am Nachmittag „Neues Arbeiten und die Generation Y – wichtige arbeitsrechtliche Schwerpunkte“ ist leider entfallen, der Referent ist am Flughafen in London aufgehalten worden.

Und damit jetzt schon die Planung für den Herbst gestartet werden kann, gibt es demnächst einen Überblick über die HR-Events im 2. Halbjahr 2016. Und noch ein ganz persönlicher Tipp: Da sind nicht nur Events dabei, wo HR draufsteht, der Blick über den Tellerrand lohnt sich, versprochen!

Herzliche Grüße

Claudia

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